Eine Million Euro für Hirnforschung im Zusammenhang mit seltenen Krankheiten
Prof. Dr. Pierre Vanderhaeghen wird für seine Forschung im Bereich der Entwicklung unseres Gehirns und möglich auftretenden Probleme mit dem Generet-Preis für seltene Krankheiten ausgezeichnet. Neben der Anerkennung ist diese renommierte Auszeichnung des von der König-Baudouin-Stiftung verwalteten Generet-Fonds mit einer Million Euro dotiert. Ihre Königliche Majestät, Prinzessin Astrid, überreichte Prof. Dr. Vanderhaeghen die Auszeichnung. Je mehr wir über die Art, wie sich unser Gehirn entwickelt, wissen, desto besser verstehen wir, wann und warum es manchmal zu Problemen kommt und wie bestimmte seltene Krankheiten auftreten. Mit der Vergabe des Generet-Preises erkennt die internationale Jury von Sachverständigen die Bedeutung der Grundlagenforschung des Neurowissenschaftlers Pierre Vanderhaeghen bei dieser Suche an. Prof. Pierre Vanderhaeghen ist Leiter des Labors für Stammzellen- und Entwicklungsneurobiologie - VIB-KU Löwen Zentrum für Gehirnforschung und arbeitet sowohl an der KU Löwen als auch an der Freien Universität Brüssel (ULB), an der er über lange Jahre Vollzeit-Dozent war.
Mit seinem Credo „You can only fix what you understand“, veranschaulicht Prof. Pierre Vanderhaeghen das, was ihn antreibt. „Seltene Krankheiten, die oft zu ernsten Behinderungen führen, sind uns noch in weiten Teilen unbekannt. Ich möchte dabei helfen, das Geheimnis zu lüften. Unser Ansporn, also der von mir und meinem Team an Spitzenforschenden, besteht in der Neugier auf das, was in unseren Köpfen passiert“, so der Neurowissenschaftler.
Die langsame Gehirnentwicklung beim Menschen In den vergangenen zehn Jahren haben Prof. Vanderhaeghen und sein Team umfassende Forschungsarbeit geleistet um herauszufinden, wie die Entwicklung unseres Gehirns 'in vivo' untersucht werden kann. "Unser menschliches Gehirn ist komplexer als das anderer Tierarten. Ein großer Unterschied liegt darin, dass es sich sehr langsam entwickelt und erst nach ungefähr zwanzig Jahren vollständig funktionsfähig ist. Vorteil davon: Der Mensch hat lange Zeit, neue Dinge schnell zu erlernen. Dies kann man jedoch mit isolierten Zellen im Labor kaum untersuchen, da genau das komplexe Zusammenspiel der Zellen in unseren Köpfen festlegt, wie diese Entwicklung verläuft, und das muss man 'am lebendigen Organismus' studieren", bemerkt Prof. Vanderhaeghen weiter.
Prof. Vanderhaeghen und sein Team haben hierfür eine Lösung gefunden: "Ein erster wichtiger Schritt bestand in unserer Entdeckung, wie menschliche Stammzellen zu Nervenzellen entwickelt werden können. Diese Nervenzellen haben wir in einem zweiten Schritt in Mäusegehirne transplantiert. Wir konnten feststellen, dass die menschlichen Gehirnzellen ihr eigenes, langsames Entwicklungstempo beibehalten. Außerdem bilden sie mit den Mäusegehirnen eine funktionelle integrierte Einheit. Mit anderen Worten sie arbeiten mit, ohne zu Mauszellen zu werden."
Seltene Krankheiten als Ergebnis von Entwicklungsstörungen Viele der seltenen Krankheiten werden durch genetische Mutationen verursacht. Diese führen zu Fehlern bei der Gehirnentwicklung was mitunter (ernste) geistige Behinderungen, Epilepsie, Autismussymptome und Ähnliches zur Folge haben kann. "Wir vermuten, dass der Fehler bei einer ganzen Reihe von Krankheiten in der Entwicklungsgeschwindigkeit liegt. Die Entwicklung erfolgt zu langsam oder zu schnell", erklärt Prof. Vanderhaeghen. Forschungsarbeiten zu den seltenen Krankheiten MECP2-Duplikationssyndrom und RETT-Syndrom, die zu schweren Entwicklungsstörungen führen, sind bereits im Gange und finden in Zusammenarbeit mit einem Spin-Off statt, das sich auf die Neuausrichtung bestehender Arzneien für die Behandlung seltener Krankheiten spezialisiert. "Dank unseres Tiermodells können wir der Forschung neue Möglichkeiten im Bereich Zellen- und Molekularforschung zur Verfügung stellen, die so mit dem Scanner nicht möglich sind."
Wissenschaft braucht Zeit "Dabei ist der Gedankenaustausch mit den klinischen Genetikern für uns sehr wichtig", betont er. "Sie stellen zum Beispiel fest, dass bei zwei Patienten mit ganz unterschiedlichen genetischen Mutationen recht viele Gemeinsamkeiten bei den Entwicklungsstörungen auftreten, mit denen diese dann zu kämpfen haben. Wir untersuchen also, ob da vielleicht sehr ähnliche Mechanismen mitspielen, z.B. eine zu schnelle Entwicklung der Nervenzellen bei beiden Patienten."
Bis wann dies zu neuen Behandlungsmöglichkeiten führen kann ist schwer vorherzusagen. "Wissenschaft braucht Zeit. Mittel wie die des Generet-Fonds sind für uns ein großes Glück, da sie uns die Zeit schenken, Ansätze in aller Freiheit auszuprobieren. In den nächsten zwei bis vier Jahren werden wir sicher viele Abläufe in unseren Zellen entdecken. Dieser erste Schritt ist wesentlich, um dann auch etwas für Menschen mit einer seltenen Krankheit bewirken zu können."
Zum Generet-Preis Der von der König-Baudouin-Stiftung verwaltete Generet-Fonds strebt danach, in unserem Land einen starken, international anerkannten Forschungs-Hub auf dem Gebiet seltener Krankheiten zu schaffen. Er zeichnet jedes Jahr einen Spitzenforscher oder eine Spitzenforscherin für die geleistete Forschung im Bereich seltener Krankheiten mit einem Preis in Höhe von einer Million Euro aus. Der Fonds legt nicht fest, um welche Krankheit es dabei gehen muss. Alle seltenen Krankheiten werden berücksichtigt, genauso wie Methoden, die die Forschung für verschiedene Krankheiten voranbringen können.
Mit dem ersten Generet-Preis wurde Ende 2018 Prof. Mikka Vikkula (Institut de Duve - UCLouvain) für seine Forschung zu genetischen Ursachen vaskulärer Anomalien ausgezeichnet.
Anfang 2020 erhielt der Neurologe Dr. Steven Laureys (Coma Science Group - Universität und Universitätsklinik Lüttich) als zweiter Wissenschaftler die Auszeichnung für seine Forschung im Bereich veränderter Bewusstseinszustand.
Eine einfache Anfrage genügt und wir stellen Ihnen einige Fotos von der Preisübergabe an Prof. Pierre Vanderhaeghen zur Verfügung.